BILDENDE KUNST
Biennale di Venezia: "Erfolg ist, wenn was folgt"
von Christiane Pfau am 11. Mai 2019
Drei Münchner in Venedig: Gotlind Timmermanns und HC Ohl bespielen zur 58. Biennale di Venezia einen Raum im Palazzo Bembo. Miro Craemer präsentiert dort die Performance »Cosmsoluna«.
Palazzo Bembo am Canal Grande in Venedig © Didier Descouens
Der Mythos »Biennale di Venezia« hat seit Jahrzehnten nichts von seiner Anziehungskraft verloren, jährlich strömen Hunderttausende von Kunstinteressierten in die Wasserstadt, und so manchen ereilt die Depression, sollte die offizielle Akkreditierung nicht pünktlich eingetroffen sein. Hotelzimmer sind teuer, die Schlangen vor den Präsentationen lang. In ist, wer drin ist! Für Künstler ist der Weg ins Innenleben der Biennale steinig, aber machbar. »Über die künstlerische Teilnahme an der Biennale entscheidet im offiziellen wie im kollateralen Programm eine Jury«, erklärt Serafine Lindemann, die den Betrieb seit Jahrzehnten kennt. Für die Teilnahme am Rahmenprogramm muss man sich etwa ein Jahr vor der Biennale bewerben. Dann wartet man auf die Zusage. Falls man diese erhält, kommt sie zusammen mit einer Rechnung, denn jeder, der auf der Biennale ausstellt, muss für die Kosten für Räume, Infrastruktur, Versicherungen, Reisekosten, Logistik etc. selbst aufkommen. »Das ist im Hauptprogramm im Arsenale und in den Giardini nicht anders«, sagt Lindemann. »Da übernehmen allerdings die Ministerien der jeweiligen Länder oft die Kosten.« Künstler, die im kollateralen Programm ihre Arbeiten zeigen, versuchen meist, den mittleren fünfstelligen Betrag mithilfe von Sponsoren aufzubringen. Unerlässlich sind auch Partner vor Ort, die beispielsweise die Suche nach geeigneten Ausstellungsräumen erleichtern. Im Fall von Gotlind Timmermanns und HC Ohl ist dies die GAA Foundation.
HC Ohl: »Accelerated Evolution« | © HC Ohl
Und es ist der Palazzo Bembo, der rote, gotische Palast an der Rialtobrücke, das Geburtshaus des Kardinals und Humanisten Pietro Bembo, in dem die Münchner Malerin Gotlind Timmermanns und der Installationskünstler HC Ohl einen Raum bespielen. Timmermanns zeigt ihren Gemäldezyklus »Azimut«, HC Ohl seine Skulptur »Accelerated Evolution«. Am Eröffnungswochenende findet hier zudem Miro Craemers Performance »Cosmsoluna« statt. Die Münchner sind damit Teilnehmer der Ausstellung »Personal Structures«, die die GAA Foundation seit 2011 im Rahmen der Biennale präsentiert. Das Projekt mit Arbeiten von über 200 Künstlern und Künstlerinnen mit unterschiedlichen Ausdrucksweisen und Techniken aus über 40 Ländern wird seit 2011 vom European Cultural Centre veranstaltet und findet neben dem Palazzo Bembo auch im Palazzo Mora und in den Giardini Marinaressa statt. Ihre Arbeiten präsentieren sie unter dem Motto »Personal Structures – Identities«. Themen, die nicht nur Künstler tagein, tagaus umtreiben.
Nicht zum ersten Mal sind Münchner Künstler bei der Biennale in Venedig vertreten – zwar nicht als offizielle Gesandte ihres Landes in den Pavillons, aber dafür im kuratierten »Collateral«-Programm. 2007 stellte der Musiker und Sound-Künstler Kalle Laar das Projekt »Calling the Glacier« vor, im selben Jahr das Künstlerduo Empfangshalle (Corbinian Böhm und Michael Gruber) die Video-Installation »as if we were alone«, beides initiiert von artcircolo/Serafine Lindemann im Rahmen der artcircolo-Reihe »Overtures«. 2011 war Venedig das Ziel von Wolfgang Aichners und Thomas Hubers aufsehenerregender »Passage«, bei der sie ein rotgestrichenes Boot über die Alpen schleppten.
HC Ohl: »Accelerated Evolution« | © HC Ohl
Gotlind Timmermanns: »Azimut«| © Florian Huth
Gotlind Timmermanns ist in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Biennale vertreten. Der Palazzo Bembo an der Rialtobrücke ist ein Präsentationsort in bester Lage. Reicht das? Inmitten von Hunderten von Künstlern und Präsentationen? »Ja, dieser Ort im Herzen Venedigs ist nicht zu übersehen. Die Kunst-Enthusiasten kommen hier alle irgendwann vorbei«, sagt Gotlind Timmermanns. »Die Organisatoren erwarten an die 300.000 Besucher allein im Palazzo Bembo. So viel internationales Kunstpublikum erreiche ich nur hier.« Deshalb betreibt sie auch den beträchtlichen finanziellen und organisatorischen Aufwand: »Es kostet mich am Ende weniger als das, was ein Galerist für eine Woche Messestand bezahlt. Dazu kommt, dass die Atmosphäre im Palazzo Bembo unschlagbar ist. Seit ich 2011 zum ersten Mal dort war, bin ich verliebt in diesen wunderschönen Palazzo. So entstand die Idee, das ist der optimale Raum für meine Arbeiten.« Was muss passieren, damit die Teilnahme ein Erfolg wird? »Für mich ist es schon ein großer Erfolg, für die Ausstellung dort ausgewählt worden zu sein. Erfolg ist, wenn was folgt. Wenn sich weitere Kooperationen und Ausstellungsbeteiligungen ergeben, die richtigen Leute auf meine Arbeiten aufmerksam werden.« Damit das Ganze kein One Night Stand wird, ist viel Vernetzungsarbeit nötig: »Ich freue mich über weitere internationale Mitspieler, Kuratoren, Ausstellungen in Galerien oder Institutionen. Ich gehe ja mit meinen Bildern auch immer gern in Räume, die gar keine Kunsträume sind. Kontakte mit anderen Künstlern sind am wichtigsten, daraus ergeben sich die spannendsten und nachhaltigsten Vernetzungen, aus denen auch neue Projekte entstehen.«
Ein Aspekt fällt oft leider unter den Tisch. Eine Erleichterung wäre es, wenn die Landeshauptstadt für die Künstler, die in Venedig ganz nebenbei auch München repräsentieren, die Kosten für das sechsmonatige Gastspiel übernehmen würde, findet Serafine Lindemann: »Auslandsprojekte sollten deshalb anständig gefördert werden.« Angesichts gut gefüllter Stadtkassen eine Frage der Ehre? ||
GOTLIND TIMMERMANNS: AZIMUT »Azimut«, ein Begriff aus der Astronomie, bezeichnet drei großformatigen Ölbilder, die miteinander im Raum wirken, wie Zellen, die sich miteinander verbinden, Landkarten, Wege, Flüsse, Horizonte, Eskalationen, Elevationen. Die Gemälde basieren auf silberfarbigem Hintergrund. Optisch löst sich bei heller Beleuchtung das Format des Bildes quasi auf. Die mit Aluminiumpulver hergestellte silberne Farbe bietet einen scheinbar neutralen Hintergrund. Gleichzeitig konkurriert Silber mit anderen leuchtenden Farben und Weiß um die Helligkeit.
HANS CHRISTIAN OHL: »ACCELERATED EVOLUTION« – »BESCHLEUNIGTE EVOLUTION« Hans Christian Ohl verbindet in seinen Arbeiten Fotografie und digitale Malerei. Die Ergebnisse bezeichnet er als »Beschleunigte Kunst«. In Venedig präsentiert er zwei Objekte aus digital bedruckten Stoffen: ein Bild, gedruckt auf einer langen Bahn, das kontinuierlich nach oben gescrollt wird und auf der anderen Seite kopfüber im unendlichen Loop wieder nach unten läuft, und ein leeres Abendkleid, das wie eine Haut, ein zurückgelassenes Relikt einer Performance daneben steht.
MIRO CRAEMER: »COSMSOLUNA« Miro Craemer verknüpft Mode, Kunst, Sound und zeitgenössischen Tanz, um daraus einen mehrdimensionalen Blick auf den Menschen und sein Verhältnis zum Kosmos zu gewinnen. In Kooperation mit der Choreografin Betty Tezza und 10 Tänzern ihrer Movement Academy sowie dem Sound-Artist Alexander Löwenstein entwickelt der Designer die Performance »Cosmsoluna«, die einer Zusammenarbeit mit Gotlind Timmermanns entspringt.
PERSONAL STRUCTURES – IDENTITIES European Cultural Centre, Palazzo Bembo| Riva del Carbon, San Marco 4793–4785 (Vaporetto Rialto), Venedig Ausstellung: 11. Mai bis 24. November| Mi bis Mo 10–18 Uhr www.gaafoundation.org, Gotlind Timmermanns, Beschleunigte Kunst, Miro Craemer textile art & social design
58. BIENNALE DI VENEZIA, 11. Mai bis 24. November
Pressestimmen
- Interview zum Thema Kunst und KI
- Münchner Feuilleton - Biennale di Venezia
- The PARADISE between ORIENT & OCCIDENT
- Radiointerview mit Peter Jäger zu PERSONAL STRUCTURES - IDENTITIES
- PERSONAL STRUCTURES - IDENTITIES / Venice 2019 Art Biennale
- Münchner Feuilleton
- K Tag - Das Magazin der Kulturfabrik
- Beschleunigte Kunst 5/5
- Kunst am Kran - IAA Hannover
- Aargauer Zeitung
- Insider IZB-Soft
- CULT - Zeitschrift für Kunst und Literatur
- Mundus - Münchner Kunst- und Kulturwelt